Mein Blog-Motto „keep calm and do your practice“ war für mich selten so wichtig wie in den letzten Wochen der Umzugsvorbereitungen.
Alles, was sonst für Bequemlichkeit sorgt, wird in Kartons verpackt, vieles verkauft und Neues geplant. Das gewohnte Leben beginnt allmählich zu bröckeln – genau das ist mit ein Grund, warum mein Mann und ich gesagt haben „Wir machen das jetzt.“ Denn wir wollten eine Veränderung nach 14 Jahren in der Stadt, raus aufs Land, und der geplante Abriss des Nachbarhauses hat uns den nötigen Schubser gegeben.
Diese Veränderung war also unser Wunsch, dennoch ist es eine Reise ins Unbekannte. Alles wird anders werden, unsere Freunde wohnen nicht mehr um die Ecke, die Stadt mit all ihren Möglichkeiten ist weg, der Job meines Mannes erfordert nun eine längere Anfahrt und ich werde mit meinen Klientinnen mehr über PC und Telefon arbeiten.
Joe Dispenza sagt zum Thema Veränderungen, dass die Vision größer sein muss als die Angst vor dem Unbekannten, dann kann man die Veränderung machen und in ihr dem Unbekannten begegnen.
Und diese Vision vom neuen Zuhause war schon lange da, sie bleibt mir ein stärkender Anker, während ich zwischen all den Kartons und noch unverpackten Dingen sitze. Und meine Offenheit für das Unbekannte, für das Nichtwissen, wie es sein wird, was kommen wird, die Nichtkontrolle, bin ich ohnehin offen.
Und doch, trotz meiner guten Basis, habe ich all die Herausforderungen zu spüren bekommen, die so ein Umzug mit sich bringt. Es fühlt sich so an, als würde alles, was ich bisher in diesen Blog geschrieben habe, abgefragt werden – ob ich das denn auch wirklich beherzige und in die Tat umsetze.
Was mir vorher nicht bewusst war: Alles kommt auf einmal dran.
All die Themen, die meist einzeln auftreten, bündeln sich in der Zeit des Umzugs. Ganz so, als würde in einer Klassenarbeit nicht nur Mathe abgefragt werden, sondern auch Deutsch, Erdkunde, Biologie, Chemie, Physik, Französisch, Englisch…
Die Umzugsprüfung fragt nach…
Meine Lieblinge. Beide haben mit dem Nervensystem, mit Sicherheit bzw. Stress zu tun. Unser uralter Überlebensinstinkt sucht ständig die Umgebung nach Gefahren ab. Während eines Umzuges sind da ganz viele: das Chaos in allen Räumen, die Reizüberflutung, das Gefühl, so viel zu tun zu haben, dass man damit nie (rechtzeitig oder überhaupt) fertig wird. Dann das Fehlen eines Rückzugsortes für Yoga und Meditation. Auf einmal ist er nicht mehr da, mein sorgfältig energetisierter Yogaraum, der nun statt der kraftvollen Leere einen Haufen weißer IKEA-Möbel der Nachmieterin beherbergt.
Also mache ich gerade irgendwo meine Übungen – ohne die würden mir Rücken und Nervensystem schmerzen. Mein Basic-Equipment dafür sind: Yogamatte, drei verschiedene kleine Faszienbälle und ein Yogablock. Die kommen nicht in die Kartons, sondern sind immer griffbereit.
… Loslassen. Loslassen. Immer wieder loslassen!
Ständig. Das hört nicht auf.
Als großer Fan von Marie Kondos Aufräum-Technik, in der man sich fragt „Does it spark joy?“ („Macht dir dieser Gegenstand wirklich Freude?“) - wenn nicht, kommt er weg, habe ich schon vieles weggegeben. Es fühlt sich gut an, Platz zu schaffen. Doch das ist nun ein anderes Level, weitaus radikaler. Wir haben uns von wirklich schönen Dingen getrennt, die uns zwar Freude machen, jedoch unpraktisch sind und nicht ins neue Zuhause passen.
Gut. Das sind die Dinge. Wir lassen hier 14 schöne Jahre los, Gewohnheiten, meinen Yogaraum, sein Musikzimmer, den Blick auf die schöne Kirche und die Erreichbarkeit.
Aber: Für alles gibt es eine Zeit. Wenn die abgelaufen ist, fällt das Loslassen leichter und das Neue ruft schon. Gar nicht mal leise.
… Speicher auffüllen!
Als angehende Vitalstoffberaterin nutze ich natürlich mein Wissen der orthomolekularen Medizin, die mit körpereigenen Stoffen heilt. Als der Stress zunahm, habe ich gemerkt, wie schnell meine gut gefüllten Speicher leer wurden. Ich war erschöpft und dachte: „Ich schaffe das nicht. Ich will schlafen. Mir tut alles weh.“ Und dann: „Aha. Da sind wohl Eisen und B-Vitamine leer (Erschöpfung, Nervensystem) und Magnesium und Tryptophan (innere Ruhe und Resilienz).“ Gedacht, getan und nun fühle ich mich wieder wie ein Mensch.
… Dankbarkeit.
Neben dem, dass ich mir bewusst bin, was für ein Glück mein Mann und ich hatten, ein so schönes neues Zuhause zu finden, bin ich mir auch ganz bewusst, was für tolle, starke Frauen ich um mich herum habe, die mir Support auf sämtlichen Ebenen geben. Die mithelfen beim Putzen und Räumen, die für Essen, Trinken und Seelenheil sorgen, die gute Energie senden oder Tipps geben. Als jemand, der nicht so gerne um Hilfe bittet, ist das für mich eine interessante Lektion: Fragen und bitten, Gemeinschaft genießen. Das ist viel besser als die Eitelkeit, des „Ich schaffe das schon.“
Ängste auflösen, dann noch ein paar Hoffnungslosigkeiten und Resignationen, Chakren aufladen, Kabel trennen vom alten Ort und die Energie aus dem Räumen zurückholen – und schon ist der Flow wieder da.
Genau diese Atemtechniken, die ich im gleichnamigen Blog-Artikel beschrieben habe, sind meine Begleiter. Die Herzkohärente Atmung immer wieder zwischendurch, denn für extra in Ruhe hinsetzen ist kaum Zeit oder Ruhe. Also schlafe ich mit ihr ein und wache mit ihr auf. Für die extra Portion Energie nutze ich die Atemtechnik von Wim Hof. Manchmal auch einfach mal zwischendurch fünf Atemzüge.
Dann noch die Zunge (bis in die Zungenwurzel) entspannen und die Gedanken entschleunigen sich sofort.
Eigentlich keine Herausforderung, wenn der Alltag seinen Gang geht.
Jetzt aber schon. Ein wundervolles Helferlein ist die App von Plum Village, dem Kloster von Thich Nhat Hanh. Darin kann man sich viele Dharma Talks anhören und geführte Meditationen (am liebsten im Bett liegend, bevor ich aufstehe und der Tag davonrollt). Ganz besonders nutze ich die Mindful Bell. Anfangs hatte ich sie auf alle 45 Minuten eingestellt: Ein Gong ertönt und dann hält man für drei Atemzüge inne, kann sich erden, verbinden mit dem Jetzt-Moment und weiter geht‘s. Aber achtsamer. Mittlerweile tönt der Gong alle 20 Minuten.
… divergenten Fokus suchen.
Der divergente Fokus ist der weite Blick, der Blick, der von einem selbst weggeht bis hin in die Unendlichkeit des Universums. Dispenza arbeitet damit, wenn es darum geht, Visionen zu erschaffen
und den Menschen zu entgrenzen. Der Buddhismus arbeitete damit in der Idee des „Interseins“ und des Mitgefühls.
Einen divergenten Fokus zu pflegen ist aber schwierig, wenn man meist in der immer enger und wilder werdenden Wohnung sitzt und man nur noch Kartons und die vor sich liegende Arbeit sieht. Also: entweder meditieren und in das Nichts blicken. Oder: raus und spazieren gehen und in den weiten Himmel schauen. So kommt der Fokus aus der Enge in die Weite.
„Ich bin angekommen. Ich bin zu Hause.“
~ Thich Nhat Hanh
...ist, wie schon im letzten Blog-Eintrag bemerkt, keine Adresse, die man erreicht hat.
Zu Hause ist überall, in jedem Moment.
Vorausgesetzt, man hat den Jetzt-Moment schon gefunden.
P.S.: Gerade, als ich den Artikel ins Netz stellen wollte, habe ich gemerkt, dass das Internet umzugsbedingt abgeschaltet ist. Hm. Und die die Daten sitzen auf meinem PC fest. Also habe ich mich zwischen einige Regale geklemmt, sodass ich möglichst nah ans Fenster komme, um das freie WiFi der Stadt Köln nutzen zu können. Es gibt immer eine Lösung =)